Liebe Schweden, das ist ein miserabler Auftakt

04.02.2019

Die Ski-WM von Are nimmt einen unglaublichen Anfang. Die Schweden lassen jegliches Krisenmanagement während des Schneechaos vermissen.

Willkommen in Are? So haben sie viele am Sonntag/Montag nicht gefühlt. – Foto: GEPA pictures

Es ist 2 Uhr in der Nacht von Sonntag auf Montag. Ort des Geschehens: der Flughafen Stockholm Arlanda. Österreichs Trainer Sepp Brunner und weitere Funktionäre des ÖSV setzen sich ins City-Café im Flughafen-Terminal 4. Später sind auch FIS-Renndirektor Markus Waldner und einige italienische Funktionäre da, Christof Innerhofer trägt seine Skischuhe durch das Gebäude, DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier einige Deutsche (mit Josef Ferstl), Franzosen (mit Adrien Theaux) und Polen streifen auch mehr oder weniger planlos durch das Gebäude. Sie alle sind in Stockholm gestrandet. Sie alle sind ohne Gepäck. Sie alle hätten definitiv um diese Uhrzeit anderes zu tun. Schlafen zum Beispiel. Sie alle versuchen mit Galgenhumer und Fatalismus die Situation erträglich zu machen. Einen Weiterflug Richtung Are ins Hotel und dann später zu den ersten Trainingseinheiten für die WM gibt es innerhalb nützlicher Frist nicht. Genau so wenig wie Flughafen-Personal, brauchbare Auskünfte, ein halbwegs funktionierendes Krisenmanagement oder die Aussicht, das eigene Gepäck zu bekommen. Dafür haufenweise geschlossene Schalter, lange Menschenschlangen vor den Arbeitsplätzen der vereinzelten Mitarbeitenden der Fluggesellschaften, von denen man sich Auskünfte erhofft. Ein absolutes Chaos und während Stunden null Aussicht auf Besserung. Eine Nicht-Organisation jenseits der Schmerzgrenze.

Dass in Stockholm Anfang Februar Schnee fallen kann, dürfte selbst den Schweden bekannt sein. Zumal sie, sollten sie tatsächlich in Bezug auf klimatische Verhältnisse im eigenen Land unwissend gewesen sein, durch die Wetterprognosen auch darauf aufmerksam gemacht worden sind. Nun hat dieser Schnee, und gar so viel war es aufgrund der auf dem Flugfeld zu sehenden Menge nun auch wieder nicht, den gesamten Flugbetrieb in Stockholm Arlanda lahm gelegt. Vier Maschinen wurden pro Stunde für eine Landung zugelassen. Ein Vielfaches an Maschinen hatte aber Stockholm zum Ziel. Die Reisenden, darunter viele Rennfahrerinnen und Rennfahrer, Trainer und Funktionäre, waren in Zürich, München oder Helsinki – zum Teil in den Flugzeugen auf der Rollbahn – während Stunden blockiert und die „Glücklichen“, die tatsächlich in Stockholm landen durften, trafen teilweise nach Mitternacht ein. Ohne Aussicht auf eine zeitlich vernünftige Weiterreise. Ohne Alternativ-Angebot. Auf sich alleine und das eigene Organisationstalent , das durch die Uhrzeit ziemlich eingeschränkt worden ist, gestellt. Die angebotenen Möglichkeiten für einen Weiterflug bewegten sich zeitlich in der Gegend von 21 Uhr am Montagabend. Hotels in Flughafennähe? Ausgebucht. Hotels in Stockholm, das mit dem Zug in zirka 20 Minuten erreichbar ist? Ausgebucht. Die Alternative: Schlafen auf den Sitzgelegenheiten im verwinkelten, weitläufigen und kalten Flughafengebäude: keine Option.

Innerhofer, Sepp Brunner und Co lösen Zugtickets. Abfahrt um 03,56 Uhr. Am Montag, kurz vor 8 Uhr dann die Ankunft in Sundsvall. Die Rennfahrer, die Funktionäre und andere Reisende sind zwar für die Reise ausgerüstet, nicht aber für ein Warten bei Minusgraden auf den Anschlusszug. Im Warteraum des Bahnhofes Sundsvall ist es eng – immerhin pfeift einem der beissende Wind nicht um die Ohren und die Temperatur ist zwar nicht angenehm, aber immerhin okay. Um 8.20 Uhr geht die Reise weiter. Die Fahrt durch die tiefverschneite Landschaft nach Are aber kann keiner wirklich geniessen. Der Montag ist futsch.

Das Unverständnis über die Unfähigkeit und das Versagen der Schweden ist sowohl riesig wie auch berechtigt. Der WM-Fahrplan wird schon in den ersten Tagen durchgeschüttelt. Das Versagen von Flughafen und WM-Organisation im Vorfeld der Weltmeisterschaft darf die FIS so nicht hinnehmen. Der Schnee kann immer wieder, das hat der Winter so an sich, Probleme machen. Dass aber am Wochenende vor WM-Beginn und bei angekündigten Schneefällen in Stockholm Arlanda niemand auch nur im Geringsten an ein Notfallszenario denkt und dann danach handelt, ist schlicht miserabel, hat mit Professionalität genau gar nichts zu tun und ist einer WM unwürdig.

Peter Gerber Plech

PS: Der Autor sitzt noch immer im Zug nach Are und freut sich darauf, am Mittag endlich etwas schlafen zu können. Immerhin habe ich, im Gegensatz zu vielen andern, nach langem „Kampf“, vielen Wegen von einem Schalter zum andern, unglaublichen Diskussionen und dank Hartnäckigkeit mein Gepäck mit dabei.

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