„Klassentreffen“, oder wenn Ski-Geschichte wieder lebendig wird
27.09.2025
Wenn sich die "Skifritzen" treffen, dann geht es fröhlich zu und her. Das Nostalgietreffen der Mitglieder der Schweizer Männer-Nationalmannschaften von 1966 bis 1976 fand kürzlich in Arosa statt.
Beste Laune beim "Skifritzen"-Treffen in Arosa.
Sie sind die Skihelden der ersten Weltcup-Jahre – und einige sogar der ersten Stunde. Obwohl ihre Erfolge ein halbes Jahrhundert zurückliegen, sind ihre Namen noch immer geläufig. Die Olympiasieger Bernhard Russi und Heini Hemmi, der Doyen Dumeng Giovanoli, der im Januar 85-jährig wird, und ihre Nati-Kollegen prägten den Schweizer Skisport wie keine andere Generation. An einem „Klassentreffen“ in Arosa liessen sie die alten Zeiten wieder aufleben.
Für drei Tage trafen sie sich im schmucken Hotel ‚Prätschli‘. Die gebürtigen Aroser Werner „Matta“ Mattle, Olympia-Dritter von Sapporo, und Engelhart „Harta“ Pargätzi, bester Schweizer „Riesen“-Spezialist in der frühen Stenmark-Aera, hatten ein attraktives Programm zusammengestellt, angereichert durch individuelle Einlagen von Kuhhirten-Jauchzer Andrea Söre Sprecher oder der Alphornbläser Pargätzi und Mario Bergamin.

Die „Skifritzen“ (stehend v.l.): Hanspeter „Hampi“ Rohr, Mario Bergamin, Manfred Jakober, Marco Fümm, Dumeng Giovanoli, Stefan Kälin, Jakob Tischhauser, René Berthod, Erwin Josi, Martin Berthod, Jean-Daniel Daetwyler, Peter Frei, Michel Daetwyler, Werner Mattle, Rolf Beeler (Käsepapst), Engelhart „Harta“ Pargätzi, Bernhard Russi. Kniend (v.l.): Adolf Rösti, Heini Hemmi, Walter Tresch, Andreas „Sören“ Sprecher, Ernst Good, Richard Hegglin (langjähriger Skisport-Journalist).
Der Bärenpark, beziehungsweise die informative Führung des wissenschaftlichen Leiters Hans Schmid, faszinierte die einstigen Ski-Asse derart, dass sie fast eine Stunde überzogen und sie deshalb fast zu spät zur verführerischen Käse- und Weindegustation auf dem Hörnli kamen, die der Schweizer „Käsepapst“ Rolf Beeler aus Mellingen für sie vorbereitet hatte. Eine Orientierung von Bergbahnen-CEO Philipp Philipp Holenstein und seiner Kaderleute über den geplanten Neubau der Gondel- und Sesselbahn am Hörnli sowie der Besuch des astrophysikalischen Observatoriums Tschuggen rundeten das Programm ab.
„Es war ein total gelungener Anlass“, zog Mattle Bilanz. „Meine Skikollegen wollten gar nicht mehr nach Hause.“ Bernhard Russi und Walter Tresch hängten noch eine Golfrunde auf dem hochalpinen 18-Loch-Platz an, einem der höchstgelegenen der Welt. Und die andern gingen noch aufs Weisshorn, den zweiten „Hausberg“, bevor sie sich mit leichter Wehmut definitiv von Arosa verabschiedeten.
Roland Collombin im Spital
22 „Skifritzen“ waren gekommen. So nennen sich die einstigen Skihelden aus den Männer-Nationalmannschaften von 1966 bis 1976. Der 2014 verstorbene Edy Bruggmann hatte dieses Nostalgietreffen einst ins Leben gerufen. Es findet alle zwei Jahre statt. Ihr Präsident ist der einstige Abfahrts-Crack und Wengener Hotelier René Berthod.
Zwei fehlten. Roland Collombin hatte sich zwar angekündigt: „Wenn es ein Fest gibt, bin ich immer dabei“. Doch musste der an Krebs erkankte Walliser, der eine kräfteraubende Chemotherapie hinter sich hat, genau in jener Zeit für eine Nachkontrolle nochmals ins Spital. Und sein Copin Philippe Roux musste absagen, weil er wegen Knieproblemen in seiner Mobilität stark eingeschränkt ist. So stellten Jean-Daniel und Michel Daetwyler die Romandie-Fraktion. Der Lungerner Manfred Jakober und der Einsiedler Stefan Kälin reisten sogar extra aus den USA an: „Dieser Termin ist in der Agenda immer rot angestrichen.“ Jakober, der in seinen letzten vier Weltcup-Jahren dreimal das Bein brach, lebt seit vielen Jahren in Sun Valley. Kälin betrieb während mehr als 40 Jahren ein Sportgeschäft in Aspen, wohnt nun aber etwas ausserhalb: „Nachdem ich mein Sportgeschäft verkauft hatte, suchte ich einen ruhigeren Ort. Aspen erstickt fast im Verkehr“.

Oben links: Dumeng Giovanoli und Marco Fümm. – Unten links: Andreas „Söre“ Sprecher. – Mitte: „Harta“ Pargätzi und Mario Bergamin als Alphornbläser. – Oben rechts: Martin Berthod, Hampi Rohr, Stefan Kälin und Heini Hemmi bei der Käsedegustation. – Unten rechts: Jean-Daniel Daetwyler.
Über ein halbes Dutzend der „Skifritzen“ erlebten die allerersten Weltcup-Rennen der Geschichte am 5./6. Januar 1967 in Berchtesgaden persönlich. Im Slalom stand Dumeng Giovanoli als Dritter sogar auf dem Podest, im Riesenslalom brach Stefan Kälin (4.) als einziger in die Phalanx der damals übermächtigen Franzosen ein, die fünf der ersten sechs Plätze belegten.
Einige bestritten 1966 sogar die sonderbare Sommer-WM im chilenischen Portillo, wo Erik Schinegger (Ö) als Erika Schinegger Abfahrts-Weltmeisterin wurde und die Schweizer nach den Olympischen Spielen in Innsbruck1964 die zweite „Nullnummer“ in Folge kassierten. Es waren karge Zeiten für den Schweizer Skisport. „Skifritz“ Jakob Tischhauser belegte insgesamt als bester Schweizer einen 4. Platz im Riesenslalom und Hanspeter „Hampi“ Rohr wurde als bester Abfahrer Achter. „Zum Glück“, erinnert sich Rohr, „hat mich Karl Erb davon abgehalten, dass ich unserem Cheftrainer Peter Baumgartner an die Gurgel ging“. Wegen des Wachsens waren die beiden aneinander geraten – eine der vielen Anekdoten an diesem Nostalgietreffen.
Historische Bestmarken
Viele der „Skifritzen“ setzten historische Ecksteine und Bestmarken, die zum Teil heute noch Gültigkeit haben. Giovanoli gewann 1968 als erster Schweizer die Weltcup-Slaloms von Wengen und Kitzbühel. 29 Jahre dauerte es, bis am Lauberhorn ein anderer Schweizer (Joël Gaspoz) siegte, und am Hahnenkamm sogar 52 (!) Jahre, bis es ihm Daniel Yule nachmachte. Überdies ist er immer noch der einzige, der in dieser Disziplin die Jahreswertung gewann. „Ich bin einfach dankbar, was ich alles erleben durfte und immer noch erleben darf“, sagt Giovanoli, demütig und bescheiden, wie es seine Art ist.
Jean-Daniel Dätwyler trug sich 1967 mit seinem 3. Rang als erster Schweizer in die Podest-Chronik der in den Weltcup-Status erhobenen Lauberhorn-Abfahrt ein. Er war 1969 im Val Gardena auch der erste Schweizer Weltcupsieger in dieser Disziplin, bevor ihm 1970 Bernhard Russi folgte und gleich zwei Siege auf einen Schlag feierte. Val Gardena war die einzige Abfahrt, die sowohl für die WM wie für den Weltcup zählte.
Eine der erfolgreichsten Schweizer Ski-Epochen ist schon vor den „Goldenen Tagen von Sapporo 1972“ lanciert worden. Die „Skifritzen“ schrieben nicht nur die Vorgeschichte, sie sind Geschichte.
Das nächste „Skifritzen“-Treffen findet 2027 auf der Lenzerheide statt mit Walter Tresch und Heini Hemmi als Organisatoren.
Autor: Richard Hegglin
Fotos: Uwe Oster und Richard Hegglin